Neues Buch
Hans Dieter Hellige (Hrsg.):
Mensch-Computer-Interface
VORWORT
Computer bedürfen wie jedes Kommunikations- und Informationsmedium eines »Interface«,
über das die Funktionen angewählt, abgewickelt und kontrolliert werden. Die Gestaltfindung
für Bedienschnittstellen und die nutzergerechte Anpassung sind seit jeher besonders
schwierig und langwierig. Die Annahme neuer Interfaces durch die Nutzer gelingt vielfach
gar nicht oder braucht oft Jahrzehnte, wie es Tastatur, Maus und Datenhandschuh belegen.
Denn bei den Mensch-Maschine- und Mensch-Computer-Schnittstellen müssen neben technisch-funktionalen
Aspekten eine große Palette ergonomischer und psychologischer Anforderungen sowie
soziale Kontexte berücksichtigt werden. Als Brücke zwischen dem technischen System
und den Nutzern sind die Interfaces zudem stark von Vorerfahrungen und Vorverständnissen
der Entwickler und Nutzer abhängig. In kaum einem Bereich der Informatik spielen
daher hermeneutische Phänomene wie mentale Modelle, Benutzermodelle, Metaphern und
Leitbilder sowie Konstruktionsstile und Technikkulturen eine so eminente Rolle wie
hier.
Obwohl Interfaces vielfach über Erfolg oder Misserfolg entscheiden, gilt die Bedienschnittstelle
seit jeher mehr als ein Annex und unscharfer Randbereich der Informatik und Informationstechnik
und nicht als eine zentrale Gestaltungsaufgabe. Auch die Technik- und Wissenschaftsgeschichte
haben dem Thema Mensch-Computer-Interaktion bisher nur eine relativ geringe Aufmerksamkeit
geschenkt. Für die »Fachgruppe Informatik- und Computergeschichte« in der »Gesellschaft
für Informatik« war diese Forschunglücke Anlass zu einem Workshop auf der GI-Jahrestagung
im Herbst 2005 und ein sich an diese erste Bestandsaufnahme anschließendes längerfristiges
Buchprojekt.
Als Ergebnis legen Informatiker und Informa-tikhistoriker mit diesem Band eine erste
Langzeitbilanz der Mensch-Computer-Interaktion vor. Sie bieten sowohl Gesamtüberblicke
der Entwicklung aus technik- und geistesgeschichtlicher Sicht als auch spezielle
Studien zur Bedienproblematik einzelner Epochen und Interfacetechniken. Dadurch entsteht
eine große Linie von den Bedienschnittstellen der frühen Mainframe-Welt über die
interaktiven PC-Interfaces bis zu den neuesten Entwicklungen des Wearable, und Tangible
Computing sowie zur proaktiven Ambient Intelligence. Die Einzelanalysen münden jeweils
in theoretische Betrachtungen und kritische Rückblicke auf die MCI-Forschung sowie
Ausblicke auf die Zukunft.
Dabei ist es das Ziel des Bandes, einen Bogen zu spannen von historischen Krisenphasen
und Innoationssprüngen der Mensch-Computer-Interaktion zur aktuellen Problematik.
Diese ist geprägt von einer immer stärker expandierenden multimedialen bzw. multimodalen
Funktionalität bei immer kleineren Bedienschnittstellen. Die Autoren diskutieren
die verschieden Lösungswege für die derzeitige Interface-Krise, insbesondere die
Ansätze für »Natural Interfaces«, Avatare und natürlichen Dialog mit dem Rechner
sowie die Konzepte für eine Ablösung von geräteartigen Medien durch unsichtbare »intelligente
Umgebungen«.
Der historisch-genetische Zugang zur Mensch-Computer-Interaktion kann zwar aktuelle
Kontroversen ü-ber den ›richtigen‹ Weg zur Überwindung der Krise nicht entscheiden.
Doch in der Langzeitperspektive treten durchgängige Probleme und typische Fehler-
und Engpass-Situationen an der Mensch-Computer-Schnittstelle viel deutlicher in Erscheinung
als in der gewohnten relativ kurzfristigen Problemlösungsperspektive der Entwickler.
Bremen, April 2008
Hans Dieter Hellige
Die gegenwärtige Interface-Krise bei digitalen Medien nehmen Informatiker und Informatikhistoriker in diesem Band zum Anlass für eine Langzeitbilanz der Mensch-Computer-Interaktion. Sie legen sowohl Gesamtüberblicke der Entwicklung aus technik- und geistesgeschichtlicher Sicht vor als auch spezielle Studien zur Bedienproblematik einzelner Epochen. Dadurch entsteht ein großer Bogen von den Bedienschnittstellen der frühen Mainframe-Welt über die interaktiven PC-Interfaces bis zu den neuesten Entwicklungen des Wearable Computing und der proaktiven Ambient Intelligence. Die historisch-genetischen Analysen münden in theoretische Betrachtungen und kritische Rückblicke auf die Forschung zu Mensch-Computer-Interfaces sowie Ausblicke auf die Zukunft.
Hans Dieter Hellige (Prof. Dr. phil.) lehrt Technikgenese und Technikgestaltung mit dem Schwerpunkt Informationstechnik an der Universität Bremen. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Informations- und Kommunikationstechnik des 19. und 20. Jh., Wissenschaftsgeschichte der Informatik, Neuere Technik-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte.